Tabakmuseum Tabakfabriken HKV

Tabakfabriken in Lorsch

Im Gewerbeverzeichnis der Gemeinde Lorsch von 1859 bis 1864 wurden bereits einige kleinere Zigarrenfabriken genannt. Ende des 19. Jahrhunderts errichteten Großbetriebe Filialen in Lorsch: Ludwig Auler, Bensheim – im Palais von Hausen; Hopf & Becker, Gießen – in der Nibelungenstraße und Carstanjen Söhne, Duisburg – in der Römerstrasse. Im Lauf der Jahre wurden von 1861 bis 1983 Zigarren in 18 Lorscher Fabriken hergestellt. Nach Schließung der letzten Fabrik konnten Einrichtungsgegenstände und Maschinen zur Zigarrenherstellung für das Museum sichergestellt werden. Sie sind wichtige Dokumente der industriellen Entwicklung und der Arbeitsbedingungen. Bilder vieler Belegschaften der Lorscher Zigarrenfabriken sind im Untergeschoß des Tabakmuseums zu sehen. Sie zeigen, dass in der Überzahl Frauen beschäftigt waren. Als Wickel- oder Zigarrenmacherin bot sich für die meisten der weiblichen Schulabgänger eines Jahrgangs die Möglichkeit, in der Zigarrenfabrik Arbeit zu finden. Die Arbeitsbedingungen waren für Frauen günstig, denn die “Gleitzeit” war für sie schon sehr früh eingeführt worden.

Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit betrug in den 1930er Jahren 48 bis 50 Stunden. Die tägliche Arbeitszeit war vormittags von 7 bis 12 Uhr und am Nachmittag von 1 bis 7 Uhr (13 – 19 Uhr) angegeben. In einer Fabrikordnung vom 15. Juli 1892 sind gleiche Arbeitszeiten für alle Arbeiter vorgesehen, jedoch mit dem Vermerk, dass für jugendliche Arbeiter die Arbeit eine Stunde später beginnt. Sie hatten somit einen zehnstündigen Arbeitstag – und das von Montag bis Samstag! Das schmale Einkommen der Familien machte es erforderlich, dass Zigarren auch in Heimarbeit hergestellt wurden. Die Einrichtung einer Küche als Arbeitsplatz der Heimarbeiterin steht im Erdgeschoss.

Ob es auch in den Lorscher Zigarrenfabriken eine Vereinigung der Tabakarbeiter gegeben hat, lässt sich nicht mit Sicherheit nachweisen. Die wesentlichen Ziele des Tabak-Arbeitervereins waren: die Unterstützung arbeitsloser und reisender Arbeiter, die Versorgung Hinterbliebener, die Regelung der Lehrlingsausbildung, die Ordnung der Gesellen und Meister, das Verbot der Kinderarbeit, Verbot der Zigarrenproduktion in den Strafanstalten (wegen der Konkurrenz für die Zigarrenarbeiter) und die Festsetzung der Akkordlöhne.

Im Tabakmuseum erinnern ein Portrait und eine Lebensbeschreibung an Christian Stock, der mit 14 Jahren als Zigarrenarbeiterlehrling in der Zigarrenfabrik Max Freund in Pfungstadt begann und 1946 zum ersten Hessischen Ministerpräsidenten nach dem Krieg gewählt wurde.