07.10.2022 – Erinnerungen an Johannes Heinrich Heinstadt

Bild: HKV Lorsch
Mitte sitzend, Heinrich Heinstadt. Hinten links Kaplan Franz Knauer, hinten rechts Kaplan Alois Görch.
Die vier Patres kamen von einem Trierer Orden 1933 zur Volksmission nach Lorsch.
Die Aufnahme entstand vor der Kreuzigungsgruppe des Ostchores von St. Nazarius.

Freitag, 7. Oktober 2022
19 Uhr
Paul-Schnitzer-Saal

Nibelungenstraße 35
64653 Lorsch

 

Vortrag durch Thilo Figaj,
Dauer ca. 1,5 Stunden

Zum 150. Geburtstag des Lorscher Ehrenbürgers

Erinnerungen an Johannes Heinrich Heinstadt

Pfarrer in Lorsch 1904 – 1942

In den Jahren 1929 und 1930 entwickelte das Bistum Mainz die so genannte „Mainzer Position“ zum Nationalsozialismus. Es war und blieb die mit Abstand deutlichste Kampfansage der Katholischen Kirche an Hitler und sein Gefolge. Aus dem Mainzer Beschluss ergab sich, dass ein Katholik kein eingeschriebenes Mitglied der Nazipartei sein könne. Es drohte der Ausschluss von den Sakramenten und Exkommunizierung.


Auslöser war das Handeln des damaligen Lorscher Pfarrers. Ohne Rücksprache hatte Heinrich Heinstadt Hitler und anderen Parteigrößen verboten, an der kirchlichen Beerdigung eines jungen Lorschers teilzunehmen. Erich Jost war am Rande des NS- Parteitages in Nürnberg am 5. August 1929 bei Ausschreitungen zu Tode gekommen. In den folgenden Tagen und Wochen kam es wegen des Kirchenausschlusses zu wütenden Protesten von Nationalsozialisten zunächst im Bistum, und bald darauf in ganz Deutschland. Der Lorscher Fall erreichte schließlich den Vatikan, der den Münchner Kardinal von Faulhaber um Aufklärung bat.


Die Antwort an Rom ist im Bistum München und Freising erhalten. Sie wiederholt Heinstadts Beweggründe, die er schon seinem Bischof Hugo gegenüber dargelegt hatte. Auch von Faulhaber verteidigt den Lorscher Pfarrer und schildert der Konzilskongregation nachdrücklich die Bedrohung durch die deutschen Nationalsozialisten, die einen „Kampf gegen Juda und Rom“ führten. Es ist der Auftakt zu den bewegendsten Jahren seiner Amtszeit als Pfarrer von Lorsch. Heinrich Heinstadt, 1872 in Oppershofen (Butzbach) geboren, kam über Pfarrstellen in Herrnsheim und Dromersheim 1904 nach Lorsch. Hier wirkte er 38 Jahre, bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand im Jahre 1942. Er  starb 1956 in Friedberg und wurde in Lorsch beigesetzt, neben seiner Schwester Elisabeth, die ihn auf allen Stationen des Lebens begleitet hatte.


Heinstadt war in der Rückschau derer, die ihn noch gekannt haben, ein energischer und autoritärer, und besonders von jüngeren Menschen oft gefürchteter Mann. Von seinem Charakter scheint er eher ein Streiter des Bismarck’schen Kulturkampfes gewesen zu sein, ein Mensch des 19. Jahrhunderts. In jedem Fall war der Seelsorger ein politischer Katholik und Vorstand der Zentrumspartei in Lorsch. Die unruhige Zeit zu Beginn der 1930er Jahre war geprägt von wirtschaftlicher Depression und politischer Dauerkrise. Das hinderte den Lorscher Pfarrer nicht daran sein Hauptanliegen zu verwirklichen. 1909 hatte er – ermutigt durch die Realisierung des Krankenhauses – den Kirchenbauverein gegründet. Die Inflation von 1923 vernichtete bedeutende Ersparnisse. Mit großem Engagement begann Heinstadt erneut für die Erweiterung der Pfarrkirche zu sammeln, er verlangte seiner Gemeinde das Äußerste ab. Nach nur etwas über 6 Monaten Bauzeit für die Seitenschiffe hatte er zur Weihnachtsmesse 1929 sein Ziel fast erreicht; am 6. September 1930 war dann die feierliche Weihe der von 550 auf 1.028 Plätze erweiterten Kirche.

 

Drei Jahre später ergriffen die Nazis die Macht. Sie hatten den Lorscher Pfarrer nicht vergessen. Heinstadt wehrte sich mit den Mitteln der Kirche. Eine Woche nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler, startete er am 8. Februar 1933 in Lorsch eine Volksmission. Mit vier Redemptoristen eines „Erlöser“- Ordens aus Trier stellte er sich gemeinsam mit seinen Kaplänen Görch und Knauer in

täglichen Hausbesuchen dem Faschismus entgegen. Es war der Auftakt zu einem dramatischen Lorscher Jahr. Elf Monate später wurde Heinstadt verhaftet und in Darmstadt vor ein NS-Sondergericht gestellt. Thilo Figaj zeichnet den bewegenden politischen Kampf des Pfarrers und Ehrenbürgers (1946) Heinrich Heinstadt in den Jahren 1929 – 1936 nach. Seine Haltung hatte unmittelbare Wirkung auf die Katholische Kirche in Mainz und Deutschland während der sogenannten „Kampfzeit“ des Nationalsozialismus. Es waren Kirchenmänner wie Heinstadt, die Hitler 1933 den Ausgleich mit dem Vatikan durch das Reichskonkordat suchen ließen.

Dauer des Vortags ca. 1,5 Stunden. Veranstalter ist der Heimat und Kulturverein Lorsch e.V.
Der Eintritt ist kostenfrei. Um eine Spende für die Arbeit des Vereins wird gebeten.