TF–03

Das Lorscher Gericht – die damalige Bezeichnung für den Gemeinderat – bestand mit seinem Schreiben von 1656 an den neuen Burggrafen Philipp von Hoheneck auf dem 27 Jahre zuvor – 1629 – abgeschlosenen Grundstücksgeschäft von Waldenburgs. Dieser hatte nun von den Lorschern gefordert, sie sollten den Juden „klaglos“ stellen, also den Schuldschein bezahlen. Offenbar wollten Waldenburg – der eine neue Verwendung in der Mainzer Regierung hatte – bzw. sein Nachfolger von dem Kauf nichts mehr wissen. Die Lorscher hatten nach dem Ursprung des Scheins geforscht und konnten das Papier deshalb auf Waldenburg zurückführen. Als letzter in der Kette hatte, so stellte es das Lorscher Gericht fest, Isaacs Vater während des Krieges einem Bauern in Groß-Rohrheim ein Anrecht auf ein Pferd besorgt, das dieser zum Kriegsdienst stellen musste. Diese Art von „Praetenßion“ war handelbar und erlaubte es dem Bauern, sein eigenes Pferd, wenn er denn eines hatte, für die wichtige Feldarbeit zu behalten. Dafür war Isaacs Vater mit dem Lorscher Schuldschein bezahlt worden, der nun von seinem Sohn vorgelegt wurde.
Das Original des Scheines war gar nicht mehr vorhanden. Das Wechselpapier war, so stellten es die Lorscher fest, verloren gegangen und von einem anderen Gericht, mit Bezug auf das Waldenburgische Original erneuert worden.

Die Nachforschung des Lorscher Gerichts, Umschrift des Schreibens an den Burggrafen vom 27.10.1656 (Seite 1 von 5 / vgl. Abbildung 2)

Act[um] denn 27. [Octo]ber A[nn]o [etc.] 1656
[etc.] Gnädiger Herr Burggraff
Welcher gestalte[n] wür denn Isaac Iudte[n] alhier
wegen desßen, crafft vorgelegter Handtschrifft
oder attestation, vnnd ceſsion ahn vnnß
forderenter 100 f. clagloß stellen, oder ihme
ein anderwerte aſsignation gebe[n] sollen,
daß ist vnß, E[uer] G[naden] g[nä]digem Befellich gemees,
gebührendt aufgetrage[n] word[en].
Sollen darauf gehorsamlich ohnuerhalten,
So viel die disfals original Schuld Ver-
schreibung betrifft, rühret dieselbe vf vnß
von Wilhelm Grünling von Zwingenberg
hero, welche ahnn Hannß Beckher[n] zue Groß-
Rohrheim khom[m]e[n], vnnd weill[n] dießer, so
noch im Leben, solch original Schuldt Ver-
schreibung verlohren, hatt Er deren eine
Gerichtliche Attestation von vnß zue weege
gebracht, die Er hernacher dießes clagende[n]
Iudtens Vatter, durch eine ceſsion, für
ein pferdts Praetenßion eingeraumbt, welche […]

We meet the first Lorsch Jew in a document of the year 1656. „Isaac Judt“ had presented an old promissory bill for 100 gulden to the community for payment, which he had from his father. The community investigated and found clarification in a wartime account book about a long ago land transaction. The Baron of Waldenburg, since 1623 Burgrave of the Oberamt Starkenburg after the expulsion of the Palatines, had bought the 60-acre Lorsch community farmland „Im Kirschenflecken“ in 1629. He paid the purchase price of 4,000 gulden not in cash but by redeeming promissory bills. Two years after the purchase, the Swedes occupied the land and the Burgrave of the Mainz government had to flee. Waldenburg had no more use of the land. To his successor, von Hoheneck, the people of Lorsch wrote after the war, when their old bill was presented to them for redemption. They would in no case compensate „Isaac Judt“ as demanded by the Mainz authorities, because the legal transaction at that time was valid, no matter who had been the occupying power in the meantime. The Lorsch community had followed the path of the paper. It had passed through many hands during the war, to Zwingenberg and Groß-Rohrheim, until Isaac’s father had finally been paid for a horse business with it. The trade in promissory notes (bills of exchange) was a common method of payment because of the shortage of money, and the participation of the Jews in the war economy becomes visible with this example.