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Hochzeitsring und Torazeiger
Jüdischer Hochzeitsring, Russland (Zarenreich), 2. Hälfte 19. Jh.
Ein 6 cm großer, 40g schwerer Ring aus 875er Silber. Das Gebäude mit romanischen Doppeltorbögen symbolisiert den untergegangenen salomonischen Tempel und damit das ewige Versprechen der Juden, eines Tages aus der Diaspora nach Jerusalem zurückzukehren.
Jüdische Hochzeitsringe sind – durch ganz wenige Exemplare – seit dem Mittelalter überliefert. Der bekannteste und schönste Ring stammt aus dem Erfurter Goldschatz. Er wurde erst 1998 gefunden und wird ins frühe 14. Jh. datiert. Ursprünglich stellten solche Ringe einen Teil des Brautpreises dar. Sie waren oft aus Gold, was jedoch entgegen weit verbreiteter Meinung keinesfalls so sein musste. Die rabbinischen Vorschriften verlangten lediglich die Reinheit des Materials, egal ob der Ring aus Gold, Silber oder gar Kupfer gefertigt war. Deswegen gab es auch keinen Edelsteinbesatz auf diesen Ringen.
Durch die Größe des Ringes war der Hochzeitsgesellschaft klar erkennbar, dass der Brautpreis bezahlt worden, und mit dem Akt des Überstreifens auf den Zeigefinger der rechten Hand der Braut die Hochzeit vollzogen war. Damit man es auch hören konnte, klimperten im Inneren des kleinen Tempels, der – im Falle des gezeigten Stückes – über das Dach geöffnet wurde, noch ein oder mehrere Silberstückchen.
Jüdische Hochzeitsringe wurden nur am Hochzeitstag getragen. Danach kam der Ring in ein Depot zum übrigen Brautpreis, der der Frau im Falle einer Scheidung als Absicherung diente.
Ringe, genau wir andere Arbeiten aus den Silberschmieden des Zarenreiches, waren im 19. Jh. Katalogware. Dieses Modell stammt aus St. Petersburg. Auffällig ist die Formensprache im Vergleich mit z.B. dem Erfurter Ring, der ja im 19. Jh. noch lange unentdeckt unter der Erde schlummerte. Daraus schließen Experte heute eine gewisse Kontinuität im Design, über hunderte Jahre weitergegeben durch Vergleichsstücke, die wir heute nicht mehr kennen.
Drei Exemplare des russischen Ringes sind bekannt. Sie wurden allesamt in Osteuropa gefunden, und zwar in Polen (der gezeigte Ring wurde über den Antikhandel erworben), Ungarn und im ehemaligen Galizien. Die meisten solcher Ringe müssen durch Kriegseinwirkung oder Vertreibung als verloren gelten. Sie wurden wahrscheinlich, genau wie der Großteil des geraubten Silbers der deutschen Juden, im Lauf der Zeit eingeschmolzen.
Mehr: Sammlung Judaica Objekt 218
Torazeiger (Jad), Russland (Zarenreich), 1878
Der kleine Torazeiger aus 875er Silber ist verziert mit einem eingefassten Türkis, einer aufgelöteten kleinen Menora und auf der abgeflachten Kugel als Abschluss mit der Krone der Tora. Eine Punze des Herstellers, des Beschauers und eine russische Stadtmarke sind auf der Seite erkennbar.
Torazeiger waren in Synagogen für den artikulierten Vortrag bei der Wochenlesung aus der handgeschrieben Tora Vorschrift. Zwar ist die Torarolle nicht so heilig, als dass man ihr Pergament nicht berühren dürfte, allerdings ist die Gefahr zu groß, dass man einen Buchstaben verschmiert. Dann wird die teure heilige Schrift unbrauchbar, denn eine Korrektur auch nur eines ihrer 304.805 Buchstaben ist ausgeschlossen. Deshalb ist der Gebrauch des Torazeigers Pflicht.
Für den privaten Gebrauch beim gewöhnlichen Lesen, z.B. des Talmud, vor allem auch zum Üben eines eigenen Vortrages bei einer Wochenlesung der Tora in der Synagoge, zu der man ehrenhalber aufgerufen werden kann, besitzen Juden eigene, oft handliche Torazeiger. Das vorgestellte Exemplar (17 cm, 18 g) stammt aus der Auflösung einer Privatsammlung in Südeuropa (Portugal); das Weitere zu seiner Provenienz liegt im Dunklen.
Mehr: Sammlung Judaica Objekt 271