Besuch aus Überwald

Jugendliche aus dem Überwald besuchen die Dokumentation Landjudenschaft

An zwei Terminen Ende September und Anfang Oktober waren in der Dokumentation Landjudenschaft des Heimat- und Kulturvereins Lorsch über dreißig junge Leute aus dem Überwald zu Gast. Die Konfirmanden nahmen an einem neuen Projekt des Evangelischen Dekanats Bergstraße teil, das Sabine Allmenröder, Referentin für Gesellschaftliche Verantwortung (Heppenheim) und ihre Kollegin, die Gemeindepädagogin Birgit Ruoff (Lindenfels) bereits Wochen zuvor in Lorsch ausgearbeitet hatten. Die Jugendlichen sollten im Rahmen ihres Konfirmandenunterrichts Grundlegendes zu Kultur und regionaler Geschichte der Juden kennenlernen. Für die meisten war es die erste Begegnung mit etwas jüdischem.

Begleitet wurden die jungen Mädchen und Jungen von den Pfarrerinnen und Pfarrern ihrer Heimatgemeinden, Jörg Michas (Siedelsbrunn, Kreidach, Abtsteinach), Martina Beyer (Wald-Michelbach, Schönmattenwag) und Stefan Ningel (Grasellenbach-Hammelbach).

Mit Hilfe von historischen und modernen Objekten zum Anfassen aus der „Museumskiste“ der Dokumentation, die solche Dinge wie eine Kippa, eine kleine Torarolle, besondere Leuchter, Trinkbecher, Mazzen zum Probieren und anderes enthält, ging es auf Erkundung der Ausstellung und die im Umfeld der Dokumentationsstätte verlegten Stolpersteine. Anschließend wurde ein Fragebogen ausgefüllt.

„Die Rückmeldungen der Jugendlichen beim Abschluss waren klasse,“ berichtet Sabine Allmenröder. Sie sollten z.B. den Satz vervollständigen „Ich hätte nicht gedacht, dass…“, und es kamen Sachen wie: „…hier früher mal so viele Juden gelebt haben.“, „Juden jedes Mal kurz beten, wenn sie das Haus verlassen (und die Mesusa berühren)“. Die Frage, warum sich jemand „so ein Andenken zimmert“ (gemeint war ein auf den 9.11.1938 datiertes Schnitzwerk mit Resten aus der Lorscher Synagoge), ist von vielen sehr differenziert beantwortet worden, „obwohl sie vorher noch nie etwas vom Novemberpogrom gehört hatten.“

Der Gang im Anschluss zu den Stolpersteinen in der Stadtmitte wäre bestimmt im Sinne des Künstlers Gunther Demnig gewesen. Schnell hatten die Kinder das Alter der Deportierten errechnet und erschreckt festgestellt, dass der Jüngste fünf Jahre alt war und dann schnell rausgekriegt, dass da vier Kinder, die Eltern und eine alte Dame (vielleicht die Großmutter) geholt wurden. Auch eine einprägsame Erkenntnis.

„Genau dafür haben wir diese Einrichtung geschaffen,“ sagt Thilo Figaj, Vorsitzender der Heimat- und Kulturvereins. „Die Zusammenarbeit mit dem Dekanat und die Akzeptanz durch die jungen Leute zeigt uns, dass der Aufbau unserer Dokumentationsstätte für alle Zielgruppen einen Einstieg in jüdisches Leben bietet. Wir wollen kein reiner Gedenkort sein, sondern für das gegenseitige Verständnis in unserer Gesellschaft einen niederschwelligen Einstieg in jüdische Kultur anbieten.“ Für die Zukunft wünscht sich der Verein noch mehr Zusammenarbeit mit Jugendgruppen und Schulen. „Unser Haus steht zur Verfügung.“   

Bilder: Sabine Allmenröder, Ev. Dekanat Bergstraße